Umwelt

Das Aerotoxische Syndrom


Giftige Atemluft im Flugzeug

Fliegen bedeutet Stress für den Körper: Klimaanlage, Ozonbelastung, geringe Luftfeuchtigkeit,… . Mit dem Aerotoxischen Syndrom kommt noch ein weiterer Faktor hinzu. Das Aerotoxische Syndrom kann auftreten, wenn im Flugzeug bei Störungen der Zapfluftanlage giftige Dämpfe entstehen.

Was die meisten nicht wissen: Fast alle Verkehrsflugzeuge zapfen die Frischluft für den Bordraum ohne Filter direkt aus dem Verdichter der Triebwerke. Bei Störungen der Zapfluftanlage können giftige Dämpfe aus erhitzten Resten von Triebwerksölen, Kerosin, Enteisungsflüssigkeit oder auch Insektiziden ungefiltert in die Kabine strömen und von Passagieren und Flugzeugpersonal eingeatmet werden. Gelangt solch ein chemischer Giftcocktail über die Atmung in den menschlichen Organismus, können erhebliche Schäden entstehen.

Aerotoxische Syndrom – Symptome

Akut auftretende Symptome sind u.a. starke Kopfschmerzen, Sehstörungen, erschwerte Atmung, Schleimhautreizung, Herz-Kreislaufprobleme, Gleichgewichtsstörungen, Bauchkrämpfe, Übelkeit, Erbrechen, Harndrang, allgemeines Schwächegefühl, Kribbeln und Taubheitsgefühl. Mögliche langzeitliche Folgen sind Müdigkeit, Lungenbeschwerden, Gedächtnis-, Konzentrations- und Sprachstörungen sowie Störungen des peripheren Nervensystems.

Piloten, Kabinenpersonal und Vielflieger sind besonders häufig betroffen. Eine dauerhafte toxische Belastung kann zu Multipler Sklerose (MS), Amyotropher Lateralsklerose (ALS), Vielfacher Chemikalienunverträglichkeit (MCS), Chronischem Erschöpfungssyndrom (CFS) und anderen Erkrankungen führen. Die Belastung mit organischen Lösungsmitteln nachzuweisen und auszuleiten ist hier die größte Herausforderung, da diese Stoffe lipophilen Charakter haben und sich im Fett-und Drüsengewebe, aber auch in Gefäßen, Membranen und vor allem in den Nervenzellen bzw. in den Schwannschen Scheiden ablagern.

Fume Event

Ein akuter Vorfall wird „Fume Event“ genannt. Zwischen 2008 und 2016 gab es laut Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen schon 800 gemeldete Fume Events.
Die Fluggesellschaften verharmlosen bzw. bestreiten das Problem, doch auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi warnt das Flugpersonal vor den Risiken und empfiehlt, beim Verdacht auf ein Fume Event so schnell wie möglich Blut- und Urinproben zu sichern, um die toxischen Stoffe nachweisen zu können.

Die Frankfurter Rundschau (vom 26.01.2017) berichtete Anfang des Jahres in einem Artikel über das Aerotoxische Syndrom. Demnach wurden 2015 an der Uniklinik Göttingen in den Blut- und Urinproben von 140 Betroffenen nicht nur schädliche Organophosphate, sondern auch flüchtige organische Verbindungen („Volatile Organic Compounds“, VOCs), die das Nerven- und Herz-Kreislauf-System angreifen, gefunden.

Das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Uni Göttingen war bisher die einzige offizielle Anlaufstelle für Betroffene. Bis Mitte 2016 wurden dort rund 400 Patienten betreut, vor allem Pilot:innen und Flugbegleiter:innen, aber auch vereinzelt Passagiere. Inzwischen wurde das Angebot jedoch drastisch reduziert. Auf der Plattform change.org läuft eine Onlinepetition für die Erhaltung des Instituts (https://www.change.org/p/ kontaminierte-kabinenluft-fume-event-sprechstunde-muss-erhalten-bleiben).